19.05.2020
Die „neue Normalität“ als Herausforderung globaler Lieferketten
Die „neue Normalität“ als Herausforderung globaler Lieferketten
Die COVID-19-Pandemie fordert die globalen Lieferketten heraus wie nichts zuvor: Eingeschränkte Handelsströme und stark verringerte Kapazitäten bei Ocean- und Airfreight Carriern treffen auf eine hohe Nachfrage nach unverzichtbaren Gütern aus dem Medizin- und Lebensmittelbereich. Gleichzeitig quellen Lager durch die ausbleibende Nachfrage bei Konsumgütern über und in den Häfen stauen sich die Container. Die Störanfälligkeit der globalen Lieferketten bleibt trotz Wiederanlaufen der Produktion in China weiterhin hoch. Vor diesem Hintergrund wird auch über Verschiebungen aktueller Supply-Chain-Strategien diskutiert, um Risiken im internationalen Transportgeschäft zu reduzieren. In Krisenzeiten werden Wirtschaftsmodelle regelmäßig in Frage gestellt werden – dies trifft jetzt auch die Logistik. Aber liegt hier wirklich der Kern des Problems?
Momentaufnahme: Blank Sailings, Preiskämpfe und verringerte Kapazitäten
Betrachten wir die aktuellen Dynamik im deutschen Transportgeschäft genauer: Für die Seefracht erwarten Experten im Vergleich zum Beginn des Jahres einen leichten Rückgang um fünf bis zehn Prozent. Weitere Trends, die sich jetzt abzeichnen: Carrier werden in nächster Zeit keine neuen Schiffe bestellen und auch ihre Routings und Loops kritisch überprüfen. Dadurch könnten auch POL/PODs wegfallen. Ein weiterhin niedriger Ölpreis wirkt sich voraussichtlich auf Zuschläge und Bunker-Klauseln aus. Auch die Logistikinfrastruktur in den einzelnen Ländern könnte in Zukunft die Preise beeinflussen. Kapazitäten werden durch Blank Sailings und weitere Konsolidierung der Loops an den Bedarf angepasst. Verringerte Kapazitäten werden auch das Luftfracht-Geschäft in den kommenden Monaten prägen- mit in der Folge vermutlich längeren Transitzeiten. Durch die kaum vorhersehbare Nachfrageentwicklung lassen sich die langfristigen Auswirkungen auf die Luftfrachtraten aktuell nur schwer einschätzen.
Deutliche Veränderungen warten auch auf das intermodale Transportgeschäft: Nachfragebedingte Verringerung der Binnenschiffs- und Bahnkapazitäten werden die Auswahlmöglichkeiten reduzieren temporäre Zuschläge zur Deckung von Verlusten sind denkbar. Versuche der Carrier, ihre Überkapazitäten bei Binnenschiffen, Zügen oder Lastwagen zu füllen, könnten schon in naher Zukunft zu Preiskämpfen führen. Auch die Industrie wird jedoch ihre Kostenbilanz optimieren wollen und infolge Druck auf die Transportbranche ausüben. Der aus der Nachfragekrise resultierende Container-Stau in Häfen und Terminals – Binnenper können ihre Bestandswaren nicht absetzen, so dass freie Lagerkapazitäten fehlen – wird zu einem weiteren Kostenfaktor. Und Spediteure werden versuchen, Volumen auf Carrier-Haulage-Services zu verlagern, um etwa über höhere Abhol-/Abstellgebühren eine bessere Kontrolle über ihre Equipment-Flows zu erhalten. Ganz generell wird das Wachstum des Exportvolumens in den nächsten Monaten maßgeblich durch die Entwicklung in wichtigen Schlüsselbranchen wie der Automobil- und Chemieindustrie beeinflusst werden.
Lieferketten widerstandsfähig machen durch Echtzeit-Transparenz
Keine Frage: COVID-19 stellt die Resilienz der Supply Chains überall auf der Welt auf eine sehr harte Probe und die verhaltene Dynamik mit drohenden Kostensteigerungen bietet keine rosige Aussicht. Trotzdem sollten wir über die aktuell brisante Situation nicht vergessen, dass Handelsströme schon immer vielerlei Risiken ausgesetzt waren – von unvorhersehbaren Naturkatastrophen aller Art bis hin zu politisch verursachten Einflussfaktoren wie Zöllen oder Handelsabkommen, die die Bedingungen im Logistik-Business von heute auf morgen verändern können. Auch regional beschränkte Versorgungsmodelle erzeugen Abhängigkeiten und können Störungen unterliegen, ganz abgesehen davon, dass sich eine globalisierte Welt auch in Nach-Corona-Zeiten wohl nicht mehr zurückdrehen lässt. Selbst wenn die aktuelle Corona-Gefühlslage uns etwas anderes suggerieren möchte.
Tatsächlich existieren bereits Handlungsalternativen. In vielen Branchen beobachten wir gerade einen deutlichen Schritt in der Digitalisierung. Auch in der Logistik bieten sich so neue Möglichkeiten. Die heute schon mögliche neue Transparenz beim Austausch von Informationen in Echtzeit wird zu einem entscheidenden Wettbewerbsfaktor werden. Damit können Unternehmen jederzeit genau erkennbar, wo Investments und Kapital gebunden sind. Logistikmanager werden durch die neuen digitalen Möglichkeiten in Zukunft eine noch strategisch wichtigere Rolle für den Unternehmenserfolg einnehmen. Daten lassen sich in einer digital verwalteten Supply Chain heute so effizient nutzen wie nie zuvor: Sie liegen gebündelt und jederzeit abrufbereit vor, sind überall zugänglich und von allen Beteiligten aktualisierbar. Durch den einfachen Echtzeit-Zugang zu Informationen und Daten wird die in der Logistik bisher so typische „Black Box“ erstmals aufgebrochen – Stakeholder und Akteure erhalten einen transparenten Einblick in ein bisher in sich geschlossenes und intransparentes System.
Die Zukunft der Lieferkette liegt in der Digitalisierung
Datengestützte Plattformen bieten genau das – eine schnelle und problemlose Abwicklung alltäglicher Speditionsprozesse durch die Möglichkeit, alle Akteure der Lieferkette direkt zu integrieren: vom Im- und Exporteur über die Ocean Carrier sowie die Fluggesellschaften bis hin zu Zollbehörden und Hafenterminals. In einer digital verwalteten Lieferkette bleiben Aufträge, Schnittstellen und Warenversand jederzeit im Blickfeld. Selbst in komplexesten Transportsituationen lassen sich mit einem solchen Echtzeit-Einblick optimale Entscheidungen treffen. Die Möglichkeiten der digitalen Transformation machen Unternehmen handlungsfähiger, so dass Lieferketten bei Bedarf sogar innerhalb nur weniger Stunden neu justiert werden können.
Wie sich die Wirtschaft in den kommenden Monaten konkret entwickeln wird, ist nicht sicher vorhersagbar, aber Flexport beobachtet die Auswirkungen durch COVID-19 auf den Welthandel weiterhin genau. Auf unserem COVID-19 Supply Chain Insights Hub finden Sie dazu alle neuesten Updates. Sie sind Logistikentscheider und möchten mehr darüber erfahren, welche Handlungsoptionen Ihnen mit digitalisierten Supply-Chain-Prozessen zur Verfügung stehen? Dann wenden Sie sich gern an unsere Experten.