06.07.2020
Nächste Runde im Handelskonflikt befürchtet
Nächste Runde im Handelskonflikt befürchtet
Am 01. Juli 2020 trat die offizielle Neufassung des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens – jetzt als United States-Mexico-Canada Agreement (USMCA) bezeichnet – offiziell in Kraft. Doch wie bei nahezu allen Handelsabkommen der letzten Jahre bleiben Unsicherheiten hinsichtlich der Zukunft bestehen – gerade in einer Zeit, in der sich die Anzeichen für einen weiteren möglichen Handelskrieg häufen.
Zu Beginn des Jahres, als noch nicht an eine Pandemie zu denken war, schienen sich die bedrohlichen Wogen des aufkommenden Protektionismus geglättet zu haben. Seit Anfang 2018 drohte das Freihandelsabkommen NAFTA abgeschafft zu werden. Hinzu kamen nationale Sicherheitszölle, weitere Zölle auf chinesische Waren sowie neu eingeführte Zölle auf Güter aus Europa – wobei noch zusätzliche Zölle drohen. Zum Jahreswechsel 2019/2020 rückte COVID-19 stärker in den Mittelpunkt und der Handelsprotektionismus ebbte ab.
Die Grafik zeigt den Anteil der von unseren Kunden gezahlten Zölle im Verhältnis zum Gesamtwert der Importe aus China in die USA, mit einem Maximum von 14,3 % im Januar und aktuell 9,9 % im Mai. Dieser Rückgang ist entweder mit niedrigeren Zöllen oder einer Verschiebung im Importmix von stark zu schwach bezollten Gütern zu erklären.
Als das USMCA im Januar unterzeichnet wurde und umgesetzt werden sollte, standen die Zeichen eher auf Handelsbeschränkung, denn auf Freihandel. Jedoch konnte ein nordamerikanischer Handelszusammenbruch scheinbar abgewendet werden. Zudem wurde im selben Monat ein „Phase One“-Handelsabkommen mit China geschlossen, mit dem eine Reihe geplanter Zollerhöhungen vermieden werden konnten und sich die Handelsbeziehung zwischen den USA und China zu stabilisieren schien, auch wenn bestehende Strafzölle nach Section 301 davon unberührt blieben.
Mit Europa wurde kein neues Abkommen geschlossen. Im Boeing-Airbus-Disput fielen die Zölle jedoch geringer aus als befürchtet und auch die wirtschaftlich signifikanteste Drohung wurde von der Trump-Regierung nicht in die Tat umgesetzt: hohe nationale Sicherheitszölle auf Fahrzeuge und Fahrzeugteile. Außerdem gab es dank Gesprächen unter Leitung der OECD Anzeichen für die Entschärfung eines weiteren potenziell brenzligen Aspektes, der Besteuerung US-amerikanischer Digitalanbieter durch die EU.
Zu Beginn des Jahres schien es, als seien die größten Bedrohungen des Handelsstreits vorüber und es kehre wieder Ruhe ein. Dann folgte eine globale Gesundheitskrise, die einen neuen wirtschaftlichen Aufruhr auslöste.Darüber hinaus stehen wir nun möglicherweise vor neuen Handelsbeschränkungen. Denn innerhalb der letzten ein bis zwei Wochen wurden alle der zuvor genannten entspannenden Maßnahmen im Handelsstreit infrage gestellt.
Dabei hatte der US-Handelsbeauftragte Robert Lighthizer gerade erst vor dem Kongress bekräftigt, dass das Abkommen mit China Früchte trage und ein Zusammenbruch der Handelsbeziehungen zwischen den USA und China nicht zu befürchten wäre. Fast im selben Moment wurde diese Aussage von einem Tweet des US-Präsidenten Donald Trump korrigiert, in dem er sagte, dass sich die Vereinigten Staaten die Option einer vollständigen Abkopplung von China offen hielten. Die Verwirrung wurde noch größer, als der Handelsdirektor des Weißen Hauses, Peter Navarro, in einem Interview sagte, das amerikanisch-chinesische Abkommen wäre beendet, woraufhin eine weitere Korrektur Trumps sowie der Widerruf der Aussage von Navarro folgten. Das Fazit: Zwar bleibt das „Phase One“-Abkommen mit China bestehen, jedoch mit zunehmender Verunsicherung über seine Wirkung und die Unterstützung durch die Trump-Regierung. Weitere Bedenken bekräftigend, hat die chinesische Regierung gerade eine Warnung vor politischen "roten Linien" ausgesprochen, welche bei ihrer Überschreitung das Abkommen in Frage stellen könnten.
In Kanada waren die von US-Vertretern vor einem Monat angedrohten Beschränkungen von Aluminiumexporten mit Wirksamkeit zum 01. Juli – dem Datum des Inkrafttretens der neuen USMCA – ein regelrechter Affront. Zölle auf Stahl und Aluminium waren Teil der ersten Handelsbeschränkungen und ihre Aufhebung war Kanada bei den Gesprächen zum USMCA ein wichtiges Anliegen. In der Regel werden die Gespräche zu einem neuen Handelsabkommen dazu genutzt, um wesentliche Streitpunkte zwischen Ländern beizulegen, da Kompromissbereitschaft besteht. Daher sind solche wirtschaftlichen Drohgebärden – mit den damit verbundenen Risiken eines Gegenschlags – kurz vor Vertragsschluss sehr außergewöhnlich. Diese Situation wird durch die grassierende Pandemie zusätzlich verschärft, führte sie doch zu einem Einbruch der Handelsaktivitäten zwischen den drei USMCA-Ländern, mit dem niedrigsten Stand seit zehn Jahren.
Mit Blick auf Europa haben die Vereinigten Staaten potenzielle neue Zölle auf Importe von 3,1 Milliarden US-Dollar aus der EU und Großbritannien angekündigt, die auf dem lang anhaltenden Streit zwischen den USA und Europa über den Vorwurf der Subventionierung von Airbus und Boeing beruhen. Diese neu angekündigten Zölle scheinen ein partielles Nachgeben der USA infolge einer WTO-Entscheidung zu ihren Gunsten in weite Ferne rücken zu lassen. Währenddessen erwartet die EU ein Urteil ihrer Beschwerde durch die WTO, das erhebliche neue EU-Zölle auf US-Exporte durchaus verhindern könnte. Die Aussage der USA, sich aus den OECD-Gesprächen zur Digitalsteuer zurückzuziehen und jedes diese Steuer erhebende Land mit Zöllen zu belegen, heizt den Streit weiter an.
Inmitten dieser anhaltenden Pandemie mit außerordentlichen wirtschaftlichen Auswirkungen wird es immer schwieriger, sich mit dem drohenden Zusammenbruch der Handelspolitik auseinanderzusetzen. Möglicherweise steht uns eine weitere Flut an Zöllen bevor.
Unternehmen sollten sich daher erneut auf Zoll-Unklarheiten einstellen, wie sie vor dem Ausbruch des Coronavirus vorherrschten. Nach Aussage unseres Kollegen Tom Gould, Vice President of Global Customs bei Flexport, ist es für Unternehmen heute wichtiger denn je, agil zu sein und die Details der eigenen Supply Chain verstehen zu lernen – insbesondere mithilfe von Daten. Wissen in den folgenden Punkten kann Unternehmen jetzt bei den Herausforderungen des internationalen Handelskonflikts helfen.
Produkte
- Wo werden sie hergestellt?
- Wie werden sie hergestellt?
- Wer stellt sie her?
- Aus welchen Komponenten bestehen sie?
Sendungen
- Woher kommen die Produkte und wohin werden sie verschickt?
- Welche HTS-Codes sind mit der Sendung verbunden?
- Von wo wurde die Waren ursprünglich versendet?
- Welchen Wert hat die Sendung und welche Informationen werden für die Zollfreigabe benötigt?
Unternehmen mit umfassenden Kenntnissen über alle mit ihren Im- und Exporten verbundenen Daten verschaffen sich eine gute Position, um durch die erforderlichen Änderungen erhebliche Folgen neuer protektionistischer Maßnahmen abzuwenden.